Dienstag, 1. März 2016
Das Schifffahrt die ist lustig, eine Schifffahrt die ist schön..
26.12.2015
Tag 1: Auf geht's
Um halb zehn waren wir auf dem Schiff, das uns innerhalb von vier Tagen auf dem Amazonas von Manaus nach Belém bringen sollte. Rafael und seine Mutter haben uns begleitet, die Süße hat sich gleich mit allen Leuten um uns herum unterhalten, dass sie auf uns Acht geben sollen. Sie hat uns aber auch wirklich ein bisschen Angst gemacht, wir sollen nie allein herumlaufen, wenn eine von uns beiden auf die Toilette geht sollen wir eine Zeit ausmachen, wenn sie bis dahin nicht zurück ist, geht die andere auf die Suche, immer mit den Wertsachen schlafen, nicht mit Männern tanzen, und und und... Das Motto, das Rafael uns mit auf den Weg gab war „Don't distruct!“, tut einfach so, als sei alles normal, immer wieder erinnerten wir uns gegenseitig daran, was eigentlich immer zu Lachern führte.







So um elf hieß es wir fahren jetzt ab, also schossen wir noch kurz ein Erinnerungsfoto und Rafael und seine Mutter gingen von Bord. Tatsächlich losgefahren sind wir dann aber erst um zwei oder drei, bis dahin hatte ich schon die kleine Maria in meiner Hängematte, die kurzerhand beschlossen hat, wir sind ihre besten Freundinnen. Außerdem meinte sie die ganze Zeit, wir sollen aufhören Englisch zu sprechen und wollte die ganze Zeit von Lissy Dinge wissen, obwohl die gar nichts verstanden hat, die Kleine war aber auch nicht müde zu kriegen.

Den ersten Tag verbrachten wir soweit schwätzend in der Hängematte. Zum Glück hatten wir zum Essen ein bisschen Goiabada, Brot und Obst dabei, denn die Kombüsengerichte seinen scheinbar unverzehrbar und sonst gab es überteuerte Sandwiches oder geschmacklose Instantnudeln. Wir waren wirklich schockiert als wir sahen, dass die anderen Passagiere Essen für die ganze Fahrt, Kaffeemaschinen und Wasserkocher dabei hatten, wir waren wirklich schlecht ausgestattet.
Vor allem aber haben wir uns kaum aus der Hängematte getraut, weil wir dachten wir werden sofort ausgeraubt.

Den ersten Hafen erreichten wir am Abend. Wir dachten die Leute steigen aus und andere ein und dann geht’s flott weiter, aber wir hätten uns denken können, dass das hier nicht so hopplahop geht. Wir standen in diesem Hafen dann ungefähr 6 Stunden, nicht einmal in einen Supermarkt um Nahrungsvorrat zu kaufen konnten wir, da es schon so spät war. Wir standen also vorne an der Reling und schauten runter auf den Hafen, wo sich zwei Kerle stritten und bestimmt 70 Leute sich drumherum versammelt hatten. Als wir so mit den Leuten geredet haben, kam heraus, dass sich auf dem Schiff gestohlene Autos befanden und wir schon ziemlich viel Verspätung hatten, also wurden die Autos nach einer gefühlten Ewigkeit herunter gefahren und nach einer weiteren Ewigkeit, da schliefen wir dann aber schon, tuckerte das Boot endlich weiter.


27.12.2015
Tag 2:
Wir konnten kaum schlafen, weil die Hängematten so nahe aufeinander hingen, dadurch war es auch kaum möglich auf dem Schiff umher zu gehen.



Früh morgens als ich nicht mehr schlafen konnte hielten wir an einem Hafen und fuhren direkt weiter, wenn wir nicht bald einmal hielten um Essen zu kaufen würde es bald knapp werden.
Der Tag war erträglich, wir unterhielten uns, lasen unsere Bücher und schliefen. Von den anderen Passagieren bekamen wir mit, dass wir nicht zum geplanten Zeitpunkt in Belém ankommen würden, doch, da es so viele verschiedene Gerüchte gab, waren wir trotzdem guter Dinge, es wenigstens am 30. Dezember mit zumindest einem Tag Verspätung nach Belém zu schaffen.
Abends kamen wir endlich in Santarém an und wir wussten nicht mehr, ob wir uns auf unser Gefühl verlassen können, in diesem Jahr noch anzukommen, also fragten wir Google nach billigen Flügen oder einem Bus von Santarém nach Belém. Im Gegensatz zu Lissy war ich noch ziemlich positiv gestimmt, also blieben wir auf dem Schiff und hofften wir würden es noch vor Silvester ankommen.
Glücklicherweise stiegen in Santarém viele Leute aus und wir hatten mehr Platz für unsere Hängematten und hingen nicht mehr alle auf- und übereinander.



28.12.2015
Tag 3: Das Grauen bahnt sich an..
Essens technisch gab es einen Lichtblick, als wir morgens in einen Hafen hielten stand ich auf und beobachtete die Leute, nach und nach gingen einige von Bord und liefen auf den Supermarkt zu. Daran nahm ich mir ein Beispiel und lief schnell hinterher, ich kaufte uns Brot, Käse, Wassermelone, Joghurt, Saft und machte mich wieder auf den Rückweg, bis dahin war Lissy auch aufgestanden und half mir die Sachen nach oben aufs Schiff zu tragen. Wir genossen den Morgen und waren bei guter Laune bis es dann sicher war:
Unser Schiff hat einen Motorschaden, tuckert deshalb nur so vor sich hin und hält ständig an.

Zwischendurch hatte ich mit meinem Handy immer wieder Empfang und konnte Rafael von diesem Reinfall erzählen. Dieser war ganz entsetzt und konnte auch nicht so richtig glauben, dass da alles mit rechten Dingen zuging. Ich glaube ja ehrlich gesagt, wir sind schon in Manaus mit Motorschaden losgefahren, wie kann es denn sonst sein, dass schon man schon am ersten beziehungsweise zweiten Tag weiß, dass wir mindestens einen Tag verspätet ankommen.
Irgendwie brachten wir auch diesen Tag herum, mit schwätzen, schlafen, Nägel machen, labern, Musik hören, dösen,.....

29.12.2015
Tag 4: Der eigentliche Tage der Ankunft
Ich stand schon früh auf und beobachtete einen wunderschönen Sonnenaufgang, auch konnte man in Ufernähe, wo das Wasser nicht so tief war, die berühmten rosafarbenen Flussdelfine beobachten, wirklich beeindruckende Tiere.
Trotzdem machte sich Verzweiflung breit, wieder einmal wurde es mit der Ernährung knapp, jeden Tag gab es quasi nur Zwieback mit Goiabada.
Auch der Zustand des Schiffes wurde zunehmend schlechter. So funktionierten am zweiten Tag die Türen zum Klo schon nicht mehr, am Vierten Tag spukte man dann ins Waschbecken direkt auf die eigenen Füße. Dennoch ging das Wasser in den Duschen nie aus, was uns wunderte, ich stellte die Vermutung auf, wir duschten mit Flusswasser, denn richtig sauber hatte ich mich nach dem Waschen nie gefühlt. Langsam ging uns auch die Unterwäsche aus, wenn man sie aber mit dem Wasser im Bad auswusch stank sie fürchterlich.
Schleppend kamen wir voran, immer wieder ging einfach der Motor des Schiffes aus und wir glitten ein paar Minuten auf dem Wasser. Ich glaube ich bin einfach schon gewohnt, dass hier in Brasilien selten etwas so klappt wie man es möchte, deshalb war ich wie die Einheimischen relativ gelassen, für Lissy dagegen war es echt eine Geduldsprobe, sie tat mir wirklich leid, vor allem gleich am Anfang der Reise, am Ende sah auch sie alles entspannter. Obwohl der Kapitän zwar darauf bestand wir würden vor Silvester ankommen, hätten wir ein bisschen Bammel den Jahreswechsel auf dem Schiff verbringen zu müssen, vor allem, weil wir keine Unterkunft in Belém hatten und dies Nachts zu finden würde schwer werden, also nahmen wir Kontakt zu Rafael auf, dessen Mutter uns dann in einer Jugendherberge in Belém ein Zimmer reservierte. Ein Lichtblick war, dass wir den Kolumbianer Christian kennenlernte, mit dem unterhielt ich mich ein bisschen, auch über Belém, da er dort studiert.
Die Angst, ausgeraubt zu werden, hatten wir nach zwei Tagen abgelegt und es ließ sich viel besser entspannen und die Fahrt ein bisschen genießen.

30.12.2015
Tag 5: Langeweile lebt..
Morgens hielten wir wieder an einem Hafen und ich kaufte neue Vorräte ein, dieses Mal gab es dann auch einen Kaffee für Lissy, der sie wahnsinnig glücklich machte an diesem beschisssenen Morgen. Da wir immer wieder hielten, aber kaum Jemand zu stieg, war das Boot mittlerweile fast leer und nur noch wenige Hängematten hingen herum. Somit fingen die Kinder an herum zu rennen, was aber fast niemanden störte. Zum hunderten Mal feilten wir uns an diesem Tag die Nägel, sprachen wieder und wieder über dieselben Dinge, bis der Tag vorüberging und wir in unserer Hängematte einschliefen.
An den letzten beiden Tagen unserer Fahrt sahen wir immer wieder Kinder und Familien in kleinen Booten auf und zu paddeln , anfangs fragten wir uns nach dem Grund, irgendwann bemerkten wir, dass die Leute anfingen, befüllte Plastiktüten in die Boote oder wenigsten in die Richtung zu werfen. Einige dieser Boote, die wohl indigene Urwaldbewohner steuerten, banden sich an unserem Schiff fest und fingen an Krabben zu verkaufen.
Bemerkenswert war auch, dass die Kinder eine andere Art hatten zu winken, sie hoben die Hände nach vorne und bewegten sie wie kleine Wellen, wie wenn sie jemanden verscheuchen wollte, hatten aber ein strahlen im Gesicht.



31.12.2015
Tag 6: Werden wir es wohl schaffen?
Diese Frage war eigentlich schnell gelöst: Ja! Fragt sich nur wann.. Die Meinungen änderten sich alle paar Minuten und wir wussten nicht, wem wir glauben schenken konnten.
Das Highlight des Tages:
Der Motor des Schiffes geht aus und der Kapitän lässt es seelenruhig in den Dschungel am Ufer treiben.
Die Leute filmten und wir konnten es kaum fassen, nie werde ich das vergessen, einfach so, den Fahrer hat es gar nicht interessiert und dann steckten wir im Urwald. Lissy fing an hysterisch zu lachen und war kurz vorm Ausrasten. Unglaublich, ich bin bis heute sprachlos....



An diesem Tag liehen wir uns von den Mädchen in den Hängematten neben uns Nagellack aus und wir verbrachten eine ganze Weile mit Nägel machen und Augenbrauen zupfen.
Damit bereiteten wir uns vor auf Silvester.
Wohl aus schlechtem Gewissen, gab es an diesem letzten Tag kostenloses Essen für alle in der Kantine und das nahmen wir gleich an, da lernten wir dann zwei Kolumbianer kennen, die mit traditioneller Musik durch Brasilien touren. Die Mahlzeit war essbar, aber ganz und gar kein Highlight.
Als es dunkel wurde kam ganz langsam ein Ende in Aussicht und die Leute fingen an ihre Sachen zusammen zu packen und die Hängematten ab zu hängen, also taten wir es ihnen nach, stellten uns danach vorne an die Reling und ließen ein immer näher kommendes Lichtermeer auf uns wirken. So ging unsere Abenteuerliche Zeit auf dem Schiff zu Ende, auf der einen Seite haben wir viel Zeit verloren, aber im Nachhinein möchte ich die Zeit auf dem Schiff nicht missen, genauso wenig die Bekanntschaften die wir schlossen und die Erinnerungen die ich hier mit euch teile.

Um neun kamen wir im Hafen an, Christian besorgte uns ein Taxi und wir fuhren zu der Jugendherberge. Wir dachten, wir hätten ein bisschen Zeit uns aus zu ruhen, aber Pustekuchen.
Wir hatten kein Geld, mussten die Juhe aber im voraus bezahlen, also machten wir uns auf den Weg eine Bank zu suchen. Da überall erzählt wurde, wie gefährlich Belém ist, nahmen wir auf dem Weg ein Taxi. An der ersten Bank konnten wir gerade einmal 100 Reais abheben, das jedoch für nichts gereicht hätte. Bank Nummer 2 nahm kein Visa, irgendwann, nach der Hilfe von noch einem Mann und dem Taxifahrer könnten wir dann endlich Geld abheben. Die Kosten für das Taxi schossen in die Höhe, aber das war uns in dem Moment egal. Als wir aus der Bank kamen scheuchte der Fahrer uns ins Taxi, von der linken Seite kamen Jugendliche angetrunken die Straße herauf, das sahen wir aber erst einen Moment später.
Also ging es zurück, wir checkten ein, duschten, zogen uns an und dann ging es schon wieder los zur Silvesterparty. Eigentlich waren wir Hunde müde und hungrig, aber das war doch das Ziel: Silvester in Belém.
An diesem Abend war einfach alles durcheinander, wir aßen einen Snack, betraten das Gelände und ohne das wir es merkten war Mitternacht schon da und ein mickriges Feuerwerk wurde abgefeuert. Ich glaube die Leute haben nur aus Mitleid ahhhhhh und oohhh gerufen, denn es war eigentlich echt enttäuschend. Auch die Neujahrswünsche waren irgendwie komisch, wir haben uns umarmt und alles Gute gewünscht, wie man das eben macht, aber sonst niemand. Nur die anderen zwei Deutschen vom Schiff, die wir aus Entfernung sahen, standen Arm in Arm da.
Als sich das alte Dockgelände langsam leerte, konnte man in die Gebäude hinein, wo Musik gespielt wurde und die Leute tanzten. Das war echt schön und spaßig, nur waren die „Reichen“, die dort zum Essen waren, von den anderen getrennt, das war irgendwie seltsam.
Erschöpft kamen wir um vier in unser Zimmer und schliefen sofort ein.



Beijo Lise

P.s.: Ich schreibe das hier gleichzeitig als mein Reisetagebuch, also bitte nicht verzweifeln, wenn es manchmal ein bisschen detailliert ist.