Olinda, Recife und der Hühnerhafen
Bei unserer Ankunft in Recife erreichte mich eine wirklich schlimme Nachricht.
Ich habe im November schon einmal von Derick erzählt, der einen schlimmen Autounfall hatte und ziemlich lange im Krankenhaus war. Kurz vor Weihnachten durfte er nach Hause und konnte die Feiertage mit seiner Familie verbringen. Nach dem Jahreswechsel wurde ihm eine Blasenentzündung diagnostiziert und er musste wieder ins Krankenhaus. Wir vermuten, er hat sich eine bakterielle Infektion im Krankenhaus zugezogen, jedenfalls erreichte mich am 10. Januar aus dem Nichts die Nachricht von seinem Tod.
Ich kann es bis heute noch nicht richtig fassen, es fühlt sich an als wäre er vereist und würde in der nächsten Woche zurück ins Projekt kehren, doch er kommt nicht... Es fehlt wirklich etwas, immer hatte er ein dickes Grinsen im Gesicht, erzählte von seiner Kirche, spielte Basketball oder tanzte. Und auch in der Phase seiner Krankheit strotzte er vor Kraft und Optimismus, er ist wirklich ein Junge gewesen, den ich bewundere. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Gott einen anderen Plan für Derick hat, sein Platz ist an Gottes Seite.
Es war wirklich schwer, mit der Nachricht zurecht zukommen, auf so etwas war ich nicht im geringsten Vorbereitet, doch Lissy sprach mit mir darüber oder lenkte mich ab, je nachdem, was ich gerade brauchte und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Sobald ich die Möglichkeit hatte, trat ich mit Vera in Kontakt, denn für sie musste die Nachricht noch heftiger gewesen sein, da sie mehr in Dericks Gruppe arbeitet und dazu noch allein unterwegs war. Wir konnten es beide nicht fassen.

Mit dem Gedanken „es kann nur besser werden als Fortaleza“ kamen wir in Olinda an und suchten uns ein Hostel. Für alle, die sich nicht so wahnsinnig in Brasilien auskennen: Olinda und Recife sind Nachbarstädte, im Bundesland Pernambuco, welches im Nord-Osten Brasiliens liegt. Da Olindas Altstadt so sehr gepriesen wird, entschieden wir uns, dort ein Hostel zu suchen, denn auch die Verbindung nach Recife ist super und die Großstadt lässt sich leicht erreichen. Das Hostel, für welches wir uns entschieden war bunt bemalt und sah sehr sympathisch aus. Der Besitzer und die Angestellten waren tatsächlich sehr hilfsbereit und so ließen wir endlich mal wieder unsere Wäsche waschen. Nach einem Nickerchen ging es zum Präkarneval, der ein paar Wochen vor Karneval gefeiert wir und als intensive Trainingsphase und Probe gesehen wir. Der Teil an dem wir teilnehmen konnten, fand vor einer katholischen Kirche in der Altstadt Olindas statt und der Priester hielt eine Rede, von der wir allerdings durch den Lärm von „Hallelujah“- und „Amen“- Rufen kaum etwas verstanden. Die Leute der Kirche und die meisten Zuschauer waren weiß gekleidet und drängten sich nach vorne um den Segen in Form von Reis, Blütenblättern und Wasser entgegen zu nehmen. Zum Schluss wurden noch weiße Tauben freigelassen, die den Frieden symbolisieren, eine von ihnen verirrte sich und kam nicht mehr in die Gänge.







Abends, als wir den Trubel und die Menschenmengen hinter uns ließen weihten wir unseren Campingkocher ein und kochten Tortelini mit Tomatensoße und zum Nachtisch Pudding.







Den zweiten Tag verbrachten wir nur in Recife, mit einem Stadtplan klapperten wir eine Menge Kirchen und Museen ab, die fast alle geschlossen hatten. Trotzdem gefiel uns die Stadt ganz gut und wir konnten uns ganz frei bewegen, was nach Fortaleza ein echtes Glück bereitete.
Die Abende verbrachten wir in Olinda, von wo man einen wunderschönen Blick auf Recife und das Meer hat.



Dieses kunterbunte Hostel barg ein für uns wunderbares Geheimnis: Das Frühstück war das Beste, das wir je in einem Hostel gegessen hatten, Kuchen, Sandwiches, Pudim, gegrillter Käse, Rührei, Maniok, es gab wirklich alles und auch Dinge, deren Name wir bis heute noch nicht kennen. Wir aßen jeden Morgen so viel, dass wir bis spät nachmittags keinen Hunger mehr spürten.

Am dritten Tag ging es an den besagten Hühnerhafen (Porto das Galinhas), woher genau dieser Name stammt konnten wir nicht so genau herausfinden, doch überall in dem Städtchen sind Hühner Figuren aufgestellt. Das Örtchen ist wirklich schnuckelig und der Strand wunderschön, trotz der Menge an Leuten konnten wir das Meer genießen. Nicht weit vom Ufer entfernt gibt es Korallenriffe, die aber durch die Flut nicht gut zu sehen waren.





Da der Weg bis zu diesem Ort, weit außerhalb der Großstadt, viel länger war als erwartet, konnten wir nur ein paar Stunden dort verbringen, was ziemlich schade war, da es uns sehr gefiel. Aber auf dem Weg konnten wir auch ein paar schöne Blicke in die Natur sammeln, die wir nicht missen möchten. Auf dem Weg zurück hatten wir wirklich Angst, ausgeraubt zu werden, weil es schon dunkel war und die Leute immer sagen, wie gefährlich es an Busbahnhöfen und in der Metro sei, aber zum Glück ging alles gut.

Den letzten Tag verbrachten wir nur in Olinda, wir machten uns auf den Weg, die Altstadt zu erkunden, wir klapperten alle Kirchen ab und kamen zu einem großen Markthalle, die im Prinzip das Gleiche anbot, wie in den anderen Großstädten auch, Schmuck, Holzarbeiten, Tourismusartikel und Lebensmittel.
Auf dem Weg zum Aussichtspunkt machten wir halt gegenüber von einem verschlossenem Museum. Wir setzten uns auf eine Art Tribüne und hinter uns saß ein Junge im Teenageralter, den wir aber gar nicht weiter beachteten. Lissy und ich redeten miteinander und aßen Pudim (brasilianischer Pudding), als plötzlich das Laub hinter uns raschelte, im ersten Moment dachten wir wohl beide, ein Tier würde aus dem Gebüsch gerannt kommen, aber dann packte der Junge unseren Rucksack, der neben Lissy lag und wollte weiter rennen, Lissy war glücklicherweise so geistesgegenwärtig und hielt den Rucksack fest, welchen ich dann auch im nächsten Moment anpackte. Wie sagt man? Wenn Blicke töten könnten... Genau so sah uns dieser Jugendliche an und lief dann trotzig davon. Ich frage mich bis heute, warum wir nicht davongerannt sind, jedenfalls blieben wir sitzen und fingen an, hysterisch zu lachen, war wohl der Schock. Ich bekam einen richtigen Schreck, als der Junge dann mit einer leeren Bierflasche wiederkam und uns finster anblickte. Dieses Mal rannten wir und wir hielten nicht an, bis wir einen Laden fanden, in dem wir uns sicher fühlten. Wir waren so aufgewühlt und voller Angst, dass der Junge uns verfolgen würde, dass wir uns noch Stunden später die ganze Zeit umdrehten um zu schauen, ob da wer ist.
Wir hatten glaube ich wirklich Glück, dass nichts passiert ist. Das Paradoxe ist, dass Olinda die Stadt war, in der wir uns auf der ganzen Reise am sichersten gefühlt hatten und genau dort werden wir fast ausgeraubt. Aber es nahm uns auch die Angst, denn wir wussten, es kann an jedem Ort passieren und genau dann wenn man es nicht erwartet.

Wir gingen weiter und in jeder Kirche in die wir traten suchte ich eine Kerze, die ich für Derick anzünden wollte, nur in einer Kirche fand ich Lämpchen, die angehen, wenn man Geld in den Schlitz wirft. Aber im Grunde zählt ja der Gedanke...

Auf dem Berg angekommen gingen wir auf die Aussichtsplattform, von der man aus den Rest von Olinda auf der anderen Seite des „Garten des Königs“ und Recife sehen kann. Wir waren die einzigen dort oben und der Ausblick war wirklich beeindruckend. In solchen Momenten fühlte ich mich einfach nur glücklich.









Und als wir irgendwann die ganze Altstadt abgelaufen sind, wussten wir nicht was tun, also setzten wir uns wieder in den Bus und - Oh Wunder - es trieb uns in ein Shopping, das ist nun mal die einzige Lokalität die bis 22 Uhr geöffnet ist. Als wir es nicht mehr aushielten, fuhren wir zurück ins Hostel, packten und machten uns auf dem Weg zum Flughafen, wo wir die Nacht verbringen wollten, um am nächsten Morgen früh nach Salvador zu fliegen.



Olinda ist für uns wirklich eine wunderschöne Stadt und auch Recife hat es uns angetan. Bis zu dem Zeitpunkt waren das wirklich die Städte, die uns am meisten beeindruckt haben, das liegt wohl auch daran, dass alles viel entspannter war, da wir mehr Zeit hatten, um uns die Städte und Sehenswürdigkeiten anzuschauen.

Beijo Lise