Donnerstag, 14. April 2016
Olinda, Recife und der Hühnerhafen
Bei unserer Ankunft in Recife erreichte mich eine wirklich schlimme Nachricht.
Ich habe im November schon einmal von Derick erzählt, der einen schlimmen Autounfall hatte und ziemlich lange im Krankenhaus war. Kurz vor Weihnachten durfte er nach Hause und konnte die Feiertage mit seiner Familie verbringen. Nach dem Jahreswechsel wurde ihm eine Blasenentzündung diagnostiziert und er musste wieder ins Krankenhaus. Wir vermuten, er hat sich eine bakterielle Infektion im Krankenhaus zugezogen, jedenfalls erreichte mich am 10. Januar aus dem Nichts die Nachricht von seinem Tod.
Ich kann es bis heute noch nicht richtig fassen, es fühlt sich an als wäre er vereist und würde in der nächsten Woche zurück ins Projekt kehren, doch er kommt nicht... Es fehlt wirklich etwas, immer hatte er ein dickes Grinsen im Gesicht, erzählte von seiner Kirche, spielte Basketball oder tanzte. Und auch in der Phase seiner Krankheit strotzte er vor Kraft und Optimismus, er ist wirklich ein Junge gewesen, den ich bewundere. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Gott einen anderen Plan für Derick hat, sein Platz ist an Gottes Seite.
Es war wirklich schwer, mit der Nachricht zurecht zukommen, auf so etwas war ich nicht im geringsten Vorbereitet, doch Lissy sprach mit mir darüber oder lenkte mich ab, je nachdem, was ich gerade brauchte und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Sobald ich die Möglichkeit hatte, trat ich mit Vera in Kontakt, denn für sie musste die Nachricht noch heftiger gewesen sein, da sie mehr in Dericks Gruppe arbeitet und dazu noch allein unterwegs war. Wir konnten es beide nicht fassen.

Mit dem Gedanken „es kann nur besser werden als Fortaleza“ kamen wir in Olinda an und suchten uns ein Hostel. Für alle, die sich nicht so wahnsinnig in Brasilien auskennen: Olinda und Recife sind Nachbarstädte, im Bundesland Pernambuco, welches im Nord-Osten Brasiliens liegt. Da Olindas Altstadt so sehr gepriesen wird, entschieden wir uns, dort ein Hostel zu suchen, denn auch die Verbindung nach Recife ist super und die Großstadt lässt sich leicht erreichen. Das Hostel, für welches wir uns entschieden war bunt bemalt und sah sehr sympathisch aus. Der Besitzer und die Angestellten waren tatsächlich sehr hilfsbereit und so ließen wir endlich mal wieder unsere Wäsche waschen. Nach einem Nickerchen ging es zum Präkarneval, der ein paar Wochen vor Karneval gefeiert wir und als intensive Trainingsphase und Probe gesehen wir. Der Teil an dem wir teilnehmen konnten, fand vor einer katholischen Kirche in der Altstadt Olindas statt und der Priester hielt eine Rede, von der wir allerdings durch den Lärm von „Hallelujah“- und „Amen“- Rufen kaum etwas verstanden. Die Leute der Kirche und die meisten Zuschauer waren weiß gekleidet und drängten sich nach vorne um den Segen in Form von Reis, Blütenblättern und Wasser entgegen zu nehmen. Zum Schluss wurden noch weiße Tauben freigelassen, die den Frieden symbolisieren, eine von ihnen verirrte sich und kam nicht mehr in die Gänge.







Abends, als wir den Trubel und die Menschenmengen hinter uns ließen weihten wir unseren Campingkocher ein und kochten Tortelini mit Tomatensoße und zum Nachtisch Pudding.







Den zweiten Tag verbrachten wir nur in Recife, mit einem Stadtplan klapperten wir eine Menge Kirchen und Museen ab, die fast alle geschlossen hatten. Trotzdem gefiel uns die Stadt ganz gut und wir konnten uns ganz frei bewegen, was nach Fortaleza ein echtes Glück bereitete.
Die Abende verbrachten wir in Olinda, von wo man einen wunderschönen Blick auf Recife und das Meer hat.



Dieses kunterbunte Hostel barg ein für uns wunderbares Geheimnis: Das Frühstück war das Beste, das wir je in einem Hostel gegessen hatten, Kuchen, Sandwiches, Pudim, gegrillter Käse, Rührei, Maniok, es gab wirklich alles und auch Dinge, deren Name wir bis heute noch nicht kennen. Wir aßen jeden Morgen so viel, dass wir bis spät nachmittags keinen Hunger mehr spürten.

Am dritten Tag ging es an den besagten Hühnerhafen (Porto das Galinhas), woher genau dieser Name stammt konnten wir nicht so genau herausfinden, doch überall in dem Städtchen sind Hühner Figuren aufgestellt. Das Örtchen ist wirklich schnuckelig und der Strand wunderschön, trotz der Menge an Leuten konnten wir das Meer genießen. Nicht weit vom Ufer entfernt gibt es Korallenriffe, die aber durch die Flut nicht gut zu sehen waren.





Da der Weg bis zu diesem Ort, weit außerhalb der Großstadt, viel länger war als erwartet, konnten wir nur ein paar Stunden dort verbringen, was ziemlich schade war, da es uns sehr gefiel. Aber auf dem Weg konnten wir auch ein paar schöne Blicke in die Natur sammeln, die wir nicht missen möchten. Auf dem Weg zurück hatten wir wirklich Angst, ausgeraubt zu werden, weil es schon dunkel war und die Leute immer sagen, wie gefährlich es an Busbahnhöfen und in der Metro sei, aber zum Glück ging alles gut.

Den letzten Tag verbrachten wir nur in Olinda, wir machten uns auf den Weg, die Altstadt zu erkunden, wir klapperten alle Kirchen ab und kamen zu einem großen Markthalle, die im Prinzip das Gleiche anbot, wie in den anderen Großstädten auch, Schmuck, Holzarbeiten, Tourismusartikel und Lebensmittel.
Auf dem Weg zum Aussichtspunkt machten wir halt gegenüber von einem verschlossenem Museum. Wir setzten uns auf eine Art Tribüne und hinter uns saß ein Junge im Teenageralter, den wir aber gar nicht weiter beachteten. Lissy und ich redeten miteinander und aßen Pudim (brasilianischer Pudding), als plötzlich das Laub hinter uns raschelte, im ersten Moment dachten wir wohl beide, ein Tier würde aus dem Gebüsch gerannt kommen, aber dann packte der Junge unseren Rucksack, der neben Lissy lag und wollte weiter rennen, Lissy war glücklicherweise so geistesgegenwärtig und hielt den Rucksack fest, welchen ich dann auch im nächsten Moment anpackte. Wie sagt man? Wenn Blicke töten könnten... Genau so sah uns dieser Jugendliche an und lief dann trotzig davon. Ich frage mich bis heute, warum wir nicht davongerannt sind, jedenfalls blieben wir sitzen und fingen an, hysterisch zu lachen, war wohl der Schock. Ich bekam einen richtigen Schreck, als der Junge dann mit einer leeren Bierflasche wiederkam und uns finster anblickte. Dieses Mal rannten wir und wir hielten nicht an, bis wir einen Laden fanden, in dem wir uns sicher fühlten. Wir waren so aufgewühlt und voller Angst, dass der Junge uns verfolgen würde, dass wir uns noch Stunden später die ganze Zeit umdrehten um zu schauen, ob da wer ist.
Wir hatten glaube ich wirklich Glück, dass nichts passiert ist. Das Paradoxe ist, dass Olinda die Stadt war, in der wir uns auf der ganzen Reise am sichersten gefühlt hatten und genau dort werden wir fast ausgeraubt. Aber es nahm uns auch die Angst, denn wir wussten, es kann an jedem Ort passieren und genau dann wenn man es nicht erwartet.

Wir gingen weiter und in jeder Kirche in die wir traten suchte ich eine Kerze, die ich für Derick anzünden wollte, nur in einer Kirche fand ich Lämpchen, die angehen, wenn man Geld in den Schlitz wirft. Aber im Grunde zählt ja der Gedanke...

Auf dem Berg angekommen gingen wir auf die Aussichtsplattform, von der man aus den Rest von Olinda auf der anderen Seite des „Garten des Königs“ und Recife sehen kann. Wir waren die einzigen dort oben und der Ausblick war wirklich beeindruckend. In solchen Momenten fühlte ich mich einfach nur glücklich.









Und als wir irgendwann die ganze Altstadt abgelaufen sind, wussten wir nicht was tun, also setzten wir uns wieder in den Bus und - Oh Wunder - es trieb uns in ein Shopping, das ist nun mal die einzige Lokalität die bis 22 Uhr geöffnet ist. Als wir es nicht mehr aushielten, fuhren wir zurück ins Hostel, packten und machten uns auf dem Weg zum Flughafen, wo wir die Nacht verbringen wollten, um am nächsten Morgen früh nach Salvador zu fliegen.



Olinda ist für uns wirklich eine wunderschöne Stadt und auch Recife hat es uns angetan. Bis zu dem Zeitpunkt waren das wirklich die Städte, die uns am meisten beeindruckt haben, das liegt wohl auch daran, dass alles viel entspannter war, da wir mehr Zeit hatten, um uns die Städte und Sehenswürdigkeiten anzuschauen.

Beijo Lise



Erste Couchsurfing Erfahrung
Um halb sechs morgens als wir in Fortaleza ankamen war es leider noch zu früh um unseren Couchsurfgastgeber zu erreichen, also mussten wir bis fast zehn Uhr am Busbahnhof warten. Nachdem wir uns durchfragten kamen wir irgendwann völlig durchnässt an dem Haus in dem William lebt an. Irgendwie hatten wir nicht erwartet, dass wir in einem riesigen bewachten Hochhaus unterkommen würden, trotzdem fanden wir es ganz cool, vor allem auch noch einmal eine andere Erfahrung, als immer anonym in Hostels zu schlafen. Wir betraten das Haus und mussten gleich sagen, wer wir sind und wo wir hin wollen, der Pförtner öffnete uns dann die Türe und schickte uns in den 9. Stock. Oben angelangt öffnete uns William die Tür zu einer strahlend weißen und sauberen Wohnung. Er schien wirklich nett und zeigte uns alles.



Hier der Blick in den "Hof":



Mittags fuhr er mit uns zu einer dreistöckigen Markthalle, die im Reiseführer als Highlight der Stadt beschrieben wird.
Die Realität sieht ein bisschen anders aus, die Markthalle ist zwar tatsächlich dreistöckig, aber nun wirklich keine Besonderheit. Unten gibt es ein paar Stände mit typischen Waren der Bundeslandes Céara, in dem wir uns befanden, weiter oben gibt es Restaurants und Lebensmittel und der Rest ist vollgestopft mit Ständen, die alle die gleichen billigen Klamotten verkaufen. Auch unser Gastgeber war irgendwie seltsam, die ganze Zeit hing er uns an den Fersen, als ob er uns möglichst schnell wieder hinaus scheuchen wollte. Also verließen wir irgendwann das Gebäude, Lissy und ich gingen dann auf eigene Faust die Stadt erkunden und William fuhr wieder nach Hause um zu arbeiten. Wir irrten durch die Innenstadt und versuchten die Orientierung zu behalten, was gar nicht so einfach war. Auf unserer Erkundungstour erfüllten wir uns unseren Wunsch vom Campingkocher, den wir viel eher auf der Schiff gebraucht hätten, aber im Nachhinein doch eine ganz gute Anschaffung war.
Endlich konnte ich meine Jeans ersetzten die schon am Anfang der Reise einige Löcher aufwies und vor einem Geschäft, man soll es ja nicht glauben, spielten die beiden Columbianer, die wir auf dem Schiff kennenlernten, Panflöte. Eigentlich sollte es ja cool sein, dass wir sie wiedersahen, aber da sie auf dem Schiff so aufdringlich waren, machten wir uns lieber schnell vom Acker in die andere Richtung.



Irgendwie fanden wir dann abends zurück und William zeigte uns den Hauseigenen Pool in dem wir ein paar Bahnen zogen, um danach Tiefen entspannt zu einem Treffen von Couchsurfern in der Stadt zu gehen. Dass wir dort vor Müdigkeit fast am Tisch eingeschlafen sind, hat William und seinen Mitbewohner Jarly reichlich wenig interessiert. Die nächste Überraschung war dann, als uns die Jungs zum ersten Mal irgendwann nach Mitternacht sagten, Lissy und ich würden zusammen auf einer Matratze schlafen, die Alternative wäre gewesen, eine von uns schläft bei William im Bett, aber das ist eindeutig keine Option gewesen.



Am nächsten Morgen schliefen wir aus und William nahm uns mit zum Mittagessen in ein Gewichtsrestaurant und danach zum Einkaufen, wo wir Sachen kauften um ein schwäbisches Abendessen zu kochen. Als wir fertig waren lies er uns am Strand aussteigen und wir bummelten ein bisschen herum, genossen den Blick aufs Meer und den Sand unter den Füßen, mussten uns aber schon bald auf den Rückweg machen, um rechtzeitig das Abendessen zu kochen. Als wir in die Wohnung zurückkamen machte sich William gerade ein Sandwich und meinte, wir könnten ja am nächsten Tag kochen, bot uns aber auch nicht an etwas zu essen, da langsam aber der Hunger kam und wir auch nicht nur in der Wohnung sitzen wollten, machten wir uns wieder auf den Weg in die Stadt, wir setzten uns einfach in einen Bus und schauten uns die Umgebung an. Als wir an einem Shopping (Mall) vorbeikamen stiegen wir aus, denn wir wussten eh nicht wohin wir gehen sollten. Wir stiefelten ein wenig herum und machten dann halt bei den Fastfoodrestaurants, wo man sogar Handschuhe bekam um sich beim essen nicht schmutzig zu machen.



Wir kamen dann irgendwann zurück und machten uns in der leeren Wohnung fertig, um zu der angekündigten (Spießer-)party zu gehen, die im Veranstaltungsraum des Hauses stattfand. Da die Jungs uns nicht einmal verrieten, wo diese Party stattfand, gammelten wir solange auf unserer Matratze, bis zufällig jemand kam und uns mit hinunter nahm. Im Nachhinein können wir sagen, dass alle, aber wirklich alle anwesenden Couchsurfer cooler, lockerer und sympathischer waren, als der, der uns bei sich aufnahm. Sogar Lissy konnte sich viel unterhalten, weil die meisten Englisch sprachen. Das seltsamste Ereignis für mich war , dass William nach dieser Party zu mir kam und mich ganz fest drückte, einfach so, ohne Grund und das nach so einer Distanziertheit, ich bin jetzt noch ohne Worte. Wir nennen William auch nur noch den „Spießer“. Er hatte durch seine übermäßige Gastfreundlichkeit (Achtung, Ironie!) geschafft, dass wir sogar einen Tag früher abreisten als geplant, nämlich schon am nächsten Abend. Aber es hatte einfach keinen Sinn, der Gute hat uns nichts von seiner Stadt gezeigt, am letzten Tag machten wir mit ein paar Freunden aus, uns am Strand zu treffen, der Spießer war aber zu müde und hat uns damit einen Tag zum Gähnen beschert.



Das Mittagessen, das wir kochten, es gab Kässpätzle, Kartoffelsalat und Schnitzel, war echt lecker, wir fragen uns nur, warum wir uns solche Mühe gemacht haben.
Mittags verließen wir das Haus wieder auf eigene Faust Richtung Strand um ein paar Fotos zu schießen.







Zurück in der Wohnung packten wir schnell unseren Kram zusammen und schon ging es wieder los zum nächsten Ziel: Recife und Olinda in Pernambuco.

Jetzt können wir sagen, dass ein Leben in einem solchen Hochhaus, wie es in Fortaleza hunderte gibt, noch anonymer ist, als ein Hostel und ich würde mich nie für eine solche Wohnung entscheiden. Auch wenn Fitnessstudio, Pool und Partyraum im Gelände mit inbegriffen sind, was auf der einen Seite wohl sehr praktisch ist, brauche ich meinen Freiraum, ich will rausgehen, auf die Straße, Leute treffen und mich an der Umgebung erfreuen und nicht nur hinter einer Mauer mein anonymes Leben leben. Auch Fortaleza konnte unseren Erwartungen nicht entsprechen, wohl auch, weil unsere Couchsurfingerfahrung mit dem Spießer ein echter Flop war und wir kaum etwas von der Stadt zu sehen bekamen.

Beijo Lise