Erste Couchsurfing Erfahrung
Um halb sechs morgens als wir in Fortaleza ankamen war es leider noch zu früh um unseren Couchsurfgastgeber zu erreichen, also mussten wir bis fast zehn Uhr am Busbahnhof warten. Nachdem wir uns durchfragten kamen wir irgendwann völlig durchnässt an dem Haus in dem William lebt an. Irgendwie hatten wir nicht erwartet, dass wir in einem riesigen bewachten Hochhaus unterkommen würden, trotzdem fanden wir es ganz cool, vor allem auch noch einmal eine andere Erfahrung, als immer anonym in Hostels zu schlafen. Wir betraten das Haus und mussten gleich sagen, wer wir sind und wo wir hin wollen, der Pförtner öffnete uns dann die Türe und schickte uns in den 9. Stock. Oben angelangt öffnete uns William die Tür zu einer strahlend weißen und sauberen Wohnung. Er schien wirklich nett und zeigte uns alles.



Hier der Blick in den "Hof":



Mittags fuhr er mit uns zu einer dreistöckigen Markthalle, die im Reiseführer als Highlight der Stadt beschrieben wird.
Die Realität sieht ein bisschen anders aus, die Markthalle ist zwar tatsächlich dreistöckig, aber nun wirklich keine Besonderheit. Unten gibt es ein paar Stände mit typischen Waren der Bundeslandes Céara, in dem wir uns befanden, weiter oben gibt es Restaurants und Lebensmittel und der Rest ist vollgestopft mit Ständen, die alle die gleichen billigen Klamotten verkaufen. Auch unser Gastgeber war irgendwie seltsam, die ganze Zeit hing er uns an den Fersen, als ob er uns möglichst schnell wieder hinaus scheuchen wollte. Also verließen wir irgendwann das Gebäude, Lissy und ich gingen dann auf eigene Faust die Stadt erkunden und William fuhr wieder nach Hause um zu arbeiten. Wir irrten durch die Innenstadt und versuchten die Orientierung zu behalten, was gar nicht so einfach war. Auf unserer Erkundungstour erfüllten wir uns unseren Wunsch vom Campingkocher, den wir viel eher auf der Schiff gebraucht hätten, aber im Nachhinein doch eine ganz gute Anschaffung war.
Endlich konnte ich meine Jeans ersetzten die schon am Anfang der Reise einige Löcher aufwies und vor einem Geschäft, man soll es ja nicht glauben, spielten die beiden Columbianer, die wir auf dem Schiff kennenlernten, Panflöte. Eigentlich sollte es ja cool sein, dass wir sie wiedersahen, aber da sie auf dem Schiff so aufdringlich waren, machten wir uns lieber schnell vom Acker in die andere Richtung.



Irgendwie fanden wir dann abends zurück und William zeigte uns den Hauseigenen Pool in dem wir ein paar Bahnen zogen, um danach Tiefen entspannt zu einem Treffen von Couchsurfern in der Stadt zu gehen. Dass wir dort vor Müdigkeit fast am Tisch eingeschlafen sind, hat William und seinen Mitbewohner Jarly reichlich wenig interessiert. Die nächste Überraschung war dann, als uns die Jungs zum ersten Mal irgendwann nach Mitternacht sagten, Lissy und ich würden zusammen auf einer Matratze schlafen, die Alternative wäre gewesen, eine von uns schläft bei William im Bett, aber das ist eindeutig keine Option gewesen.



Am nächsten Morgen schliefen wir aus und William nahm uns mit zum Mittagessen in ein Gewichtsrestaurant und danach zum Einkaufen, wo wir Sachen kauften um ein schwäbisches Abendessen zu kochen. Als wir fertig waren lies er uns am Strand aussteigen und wir bummelten ein bisschen herum, genossen den Blick aufs Meer und den Sand unter den Füßen, mussten uns aber schon bald auf den Rückweg machen, um rechtzeitig das Abendessen zu kochen. Als wir in die Wohnung zurückkamen machte sich William gerade ein Sandwich und meinte, wir könnten ja am nächsten Tag kochen, bot uns aber auch nicht an etwas zu essen, da langsam aber der Hunger kam und wir auch nicht nur in der Wohnung sitzen wollten, machten wir uns wieder auf den Weg in die Stadt, wir setzten uns einfach in einen Bus und schauten uns die Umgebung an. Als wir an einem Shopping (Mall) vorbeikamen stiegen wir aus, denn wir wussten eh nicht wohin wir gehen sollten. Wir stiefelten ein wenig herum und machten dann halt bei den Fastfoodrestaurants, wo man sogar Handschuhe bekam um sich beim essen nicht schmutzig zu machen.



Wir kamen dann irgendwann zurück und machten uns in der leeren Wohnung fertig, um zu der angekündigten (Spießer-)party zu gehen, die im Veranstaltungsraum des Hauses stattfand. Da die Jungs uns nicht einmal verrieten, wo diese Party stattfand, gammelten wir solange auf unserer Matratze, bis zufällig jemand kam und uns mit hinunter nahm. Im Nachhinein können wir sagen, dass alle, aber wirklich alle anwesenden Couchsurfer cooler, lockerer und sympathischer waren, als der, der uns bei sich aufnahm. Sogar Lissy konnte sich viel unterhalten, weil die meisten Englisch sprachen. Das seltsamste Ereignis für mich war , dass William nach dieser Party zu mir kam und mich ganz fest drückte, einfach so, ohne Grund und das nach so einer Distanziertheit, ich bin jetzt noch ohne Worte. Wir nennen William auch nur noch den „Spießer“. Er hatte durch seine übermäßige Gastfreundlichkeit (Achtung, Ironie!) geschafft, dass wir sogar einen Tag früher abreisten als geplant, nämlich schon am nächsten Abend. Aber es hatte einfach keinen Sinn, der Gute hat uns nichts von seiner Stadt gezeigt, am letzten Tag machten wir mit ein paar Freunden aus, uns am Strand zu treffen, der Spießer war aber zu müde und hat uns damit einen Tag zum Gähnen beschert.



Das Mittagessen, das wir kochten, es gab Kässpätzle, Kartoffelsalat und Schnitzel, war echt lecker, wir fragen uns nur, warum wir uns solche Mühe gemacht haben.
Mittags verließen wir das Haus wieder auf eigene Faust Richtung Strand um ein paar Fotos zu schießen.







Zurück in der Wohnung packten wir schnell unseren Kram zusammen und schon ging es wieder los zum nächsten Ziel: Recife und Olinda in Pernambuco.

Jetzt können wir sagen, dass ein Leben in einem solchen Hochhaus, wie es in Fortaleza hunderte gibt, noch anonymer ist, als ein Hostel und ich würde mich nie für eine solche Wohnung entscheiden. Auch wenn Fitnessstudio, Pool und Partyraum im Gelände mit inbegriffen sind, was auf der einen Seite wohl sehr praktisch ist, brauche ich meinen Freiraum, ich will rausgehen, auf die Straße, Leute treffen und mich an der Umgebung erfreuen und nicht nur hinter einer Mauer mein anonymes Leben leben. Auch Fortaleza konnte unseren Erwartungen nicht entsprechen, wohl auch, weil unsere Couchsurfingerfahrung mit dem Spießer ein echter Flop war und wir kaum etwas von der Stadt zu sehen bekamen.

Beijo Lise