Donnerstag, 23. Juni 2016
Zurück aus den Ferien oder: eine Rose für dich…
Ich habe beschlossen, die Ferien lasse ich erst einmal hinter mir und schreibe über die Zeit danach. Wie ausgemacht kamen Vera und ich von unserem Urlaub zurück, um in der ersten Februarwoche schon anzufangen, das Projekt nach der Regenzeit auf die Kinder vorzubereiten. Zwei Tage vor dem Termin habe ich nachgefragt, wann wir uns denn treffen wollen, dann war die Antwort, ja, wir haben doch ausgemacht wir fangen erst in zwei Wochen an. Ihr glaubt nicht, wie wir uns darüber aufgeregt haben, sind wir tatsächlich extra früher von der Reise gekommen, nur damit wir dann noch zwei Wochen ohne etwas zu tun in Cáceres sitzen. Am nervigsten war, dass von unseren Mitarbeitern nicht eingesehen wurde, dass ein Datum festgelegt wurde. Sieht so aus, als wurde das dann einfach geändert, als Vera und ich im Urlaub waren. Wir haben dann beschlossen, das einfach so zu belassen, es bringt hier sowieso nichts, wenn man sich aufregt.
Irgendwann, als es den Damen dann in ihren Plan gepasst hat, konnten wir endlich anfangen zu putzen, aufzuräumen, Sachen wegzuschmeißen und nach bestimmt einer Woche auch endlich das Haus zu streichen. Dieses Mal wurde nicht nur das Haus bunt bemalt, sondern auch Teile der inneren Mauer und die Pfosten. Endlich sehen wir tatsächlich einmal ein Ergebnis von unserem Aufenthalt.







Bevor wir dann mit dem Projektalltag wieder anfingen gab es eine Teambesprechung. Das allererste Mal hatte ich das Gefühl, dass wirklich ein Zusammentreffen produktiv war.
Hier kommt dann auch die Geschichte zu der Rose: Wir setzten uns in einen Kreis und Suellen fing an, eine Musik laufen zu lassen, das war der erste emotionale Part, denn genau diese Musik hat meine Schwester ständig auf dem Klavier gespielt, welche das wohl ist? Genau richtig! Für Elise. Der Tag war sowieso schon emotional, denn in der Zeit von der Reise habe ich die ganze Zeit überlegt, dass Lissy nach Hause kommt und meine Familie sieht, euch alle vielleicht sieht, alle drücken kann, aber ich noch ein halbes Jahr warten muss. Während dieser Musik wurden wir dazu aufgefordert, unsere Augen zu schließen, dann sollten wir an alle Dinge denken die uns im ersten halben Jahr aufgeregt haben, die wir doof fanden oder uns traurig gemacht haben, diese Aspekte sollten wir imaginär auf das Blatt vor uns schreiben, danach sollten wir es zusammenknüllen und all diese Dinge hinter uns lassen. Im nächsten Schritt sollten wir uns die schönen Dinge vorstellen und das zerknüllte Blatt wieder auseinander Falten. Aus diesem zerknüllten Papier formten wir, die Augen immer noch geschlossen, eine Rose. Der Reihe nach sollten wir die Papierrose in die Mitte des Kreises strecken und sagen, für wen diese Rose sei und warum. Alle waren ziemlich emotional. Als erstes war Sanzio dran und nannte Suellen („Chefin“ des Projekts), dann Lorival, der Teenager nannte ebenfalls Suellen, da sie sein Vorbild ist und durch das Projekt seine Familie unterstützt werden kann. Vera gab ihre Rose ihrer Mama, weil sie gemerkt hat, wie ähnlich sie sich sind und weil sie sie in dem Moment sehr vermisst hat. Fast hätte sie angefangen zu weinen, das passierte dann so ziemlich jedem, als Drika ihre Rose Derik widmete, wenn ihr euch erinnert, das ist der Junge, der im Januar leider an den Folgen eines Autounfalls verstorben ist.
Mit dicken Tränen in den Augen widme ich meine Rose dir: Mama! Vor meinem Aufenthalt hier hätte ich nie gedacht, dass du mir so fehlen würdest, immer schon waren wir alle doch irgendwie der Meinung, dass ich unabhängiger bin und auch einiges an Verantwortung übernehmen kann. Hier ist mir klargeworden, dass es nicht ohne dich bzw. euch in meinem Leben geht. Mir wurde bewusst, dass du dir richtig Sorgen manchmal um mich machst und hinter mir stehst, wenn ich ein Problem habe, wie zum Beispiel auf der Reise, mitten in der Nacht kann ich dich anrufen und finde Rat. Ich möchte dir, Mama, für alles danken was du für mich getan hast, tust und bestimmt noch tun wirst. Die Rose ist zwar nicht so schön wie eine echte und es ist auch nur ein Bild von ihr, aber für mich bedeutet sie das alles. Ich liebe dich Mama!





Nach dieser Runde war ich irgendwie erleichtert und habe mich wie befreit gefühlt. Im nächsten Schritt haben wir den ECA studiert. Im ECA geht es um die Rechte von Jugendlichen und Kindern in Brasilien, das war ganz schön interessant. Es wurden viele Sachen angesprochen, von denen viele Projektkinder betroffen sind, wie zum Beispiel das Recht auf Freizeit, eine intakte Familie und Bildung. Die Semesterplanung im Anschluss war ganz schön produktiv und wir gingen irgendwie zufrieden an diesem Tag heim.

Und so begann in den nächsten Wochen der Alltag wieder… Die Gruppe morgens bekam leider keinen Zuwachs, nachmittags kamen dafür bis zu 30 Jugendlichen und der Platz wurde knapp, mittlerweile hat sich wieder alles eingependelt und die Gruppen sind angemessen groß.



Samstag, 30. April 2016
Salvador - Bahia
Mit dem Flugzeug kamen wir morgens in Salvador an, wo Vera schon auf uns wartete. Sie hatte ihre Tour eine Woche später gestartet und dafür einige Stopps ausgelassen, damit wir uns in Bahia treffen können um gemeinsam weiter zu reisen. Viel zu übermüdet kamen wir im Hostel an, das nahe dem Strand liegt. Nach einem ausgedehnten Frühstück am Strand legten wir uns ins Bett und wachten erst spät nachmittags wieder auf, was ein ziemlicher Fehler war, an dem Tag fand nämlich das bekannte Fest von Bonfim statt, bei dem die Baianas (Frauen aus Bahia) die Kirchenstufen waschen.
Hier eine Baiana:



Irgendwann kamen wir in die Gänge, nur leider viel zu spät, also verbrachten wir mehr als sechs Stunden im Stau und als wir dann endlich angekommen wären, meinten die Leute zu uns, es ist zu gefährlich auszusteigen und wir sollten einfach sitzen bleiben und zurück fahren. Super langweilige Bummelfahrt, die einfach kein Ende nehmen wollte.
Den nächsten Tag starteten wir auch ein bisschen zu gemütlich, mit ewig langem Frühstück und einer Runde baden. Um die Mittagszeit ging es dann los in die Altstadt Salvadors. Bald schon brach die Dämmerung herein und die Gebäude wurden künstlich beleuchtet. An jeder Ecke fand man Frauen, die Zöpfe aus Kunsthaar flochten oder Dreadlocks anboten.
Die Altstadt ist wirklich schön, mit ihrem kolonialem Touch und den bunt gestrichenen Häusern.





Abends waren wir typisch Bahianisch Essen, was heißt: eine Soße mit Shrimps , Tomaten und Zwiebel, dazu eine Mus aus Maniok, Gewürzen und etwas undefinierbarem und Reis durfte natürlich auch nicht fehlen. Das Essen war super und wir waren glücklich. Bis wir schon fast im Hostel feststellten, dass Lissy meinen Rucksack im Restaurant hat liegen lassen. Zum Glück war nichts wichtiges darin, dennoch ärgerten wir uns und nahmen uns vor am nächsten Tag wieder hin zu gehen um zu schauen, ob er wohl noch da ist.

Und wir hatten Glück, am nächsten Tag machten wir uns wir auf zu einer Sightseeingtour in der Innenstadt und fanden den Rucksack mit allem was sich darin befand.
An diesem Tag sahen wir alles vom Tag vorher wieder, nur im Tageslicht.





Wir klapperten einige Museen ab, aber wie wir das schon in Brasilien kennen gelernt haben, standen wir vor verschlossenen Türen. Wir gingen zur Markthalle, die direkt am Touristenhafen liegt, von wo wir aus einen Tagesausflug zu zwei Inseln am nächsten Tag buchten. Die Markthalle bot für Bahia typische Souvenirs an, wie Tonpüppchen, bunte Stoffe, Gemälde und und und. An einem Alkohol- und Gewürzstand rief uns ein junger Mann zu sich und ließ uns jede Menge Liköre und Schnäpse testen, dieser Typ war echt super drauf und so zogen wir fröhlich gackernd weiter.



Wir verbrachten einen wunderschönen Tag in Salvador, trotz dass es überall von Touristen wimmelt, behält die Stadt ihren Charme.





Auch die Fahrten in die Stadt waren immer schön, da das Hostel außerhalb vom Zentrum liegt, ging die Fahrt immer jeweils eine dreiviertel Stunde und einen Teil davon fuhr der Bus an der Promenade entlang, jedes Mal entdeckten wir einige neue schöne Örtchen, an denen wir mit dem Bus vorbeifuhren, wie zum Beispiel einige Skulpturen, Gärten und Gebäude.

Am Sonntagmorgen ging es früh los, wir hatten einen Ausflug gebucht, der von der Innenstadt aus startet. Dort angekommen warteten wir mit gefühlten tausend anderen Leute auf die Ausflugsboote. Unser Boot war ziemlich überfüllt, aber wir konnten uns einen Liegeplatz ergattern und so auf der Fahrt ein wenig von dem verlorenen Schlaf aufholen, auch wenn die Liveband ziemlich laut ihre Sambamusik spielte. Das Wetter war leider ziemlich betrübt und machte uns so einen Strich durch die Rechnung, statt der Sonne befanden sich Regenwolken am Himmel die uns ein bisschen frösteln ließen.
Mit Verspätung an der ersten Station angekommen, holten uns kleine Boote ab, die so vollgestopft wurden, dass man beinahe das Gefühl eines Flüchtlingsbootes nachvollziehen konnte.
Wie zu erwarten, befanden sich auf der ersten Insel eine Menge Wochenendurlauber, die nur hinfahren um zu grillen und Bier zu trinken.
Trotzdem gibt es auch, wenn man die Wege entlang läuft ein paar schöne Ecken auf der Insel und als die Sonne ein bisschen herauskam trauten wir uns sogar in das salzige Meer.





Durch die Verspätung konnten wir die zweite Insel leider nicht so richtig entdecken. Die Insel wurde eigentlich nur zum Essen angesteuert. Das Buffet gab alles her was man sich wünschen kann und danach waren wir so voll, das wir uns kaum noch bewegen konnten. Kurz nach dem Sonnenuntergang, der vor lauter Wolken gar nicht zu sehen war kamen wir wieder in Salvador an und fuhren hundemüde zurück ins Hostel.

Den Montag nutzten wir um die berühmte Kirche Bonfim zu besuchen. Leider wurden wir ein bisschen enttäuscht. Wir stellten uns die Kirche ziemlich spektakulär vor, dabei ist sie im Prinzip wie jede andere katholische Kirche in Brasilien: übertrieben kitschig, viel zu viel Bilder uns sonstigen Kram an der Wand hängend und aus Baumaterial, das einem ziemlich billig und instabil erscheint.





Der große Unterschied war, dass das Tor, der Zaun und sogar die Kirchenbänke mit den Bändern voll hängen, die man überall in der Stadt hinterher geschmissen bekommt oder kaufen kann (wir haben übrigens aus Mitleid um die 40 Stück gekauft). Zur Erklärung: Auf den Bändern steht grob übersetzt „Im Gedenken an den Herrn Bonfim aus Bahia“ , dieses Band schließt man am Handgelenk mit drei Knoten, wobei jeder Knoten einen Wunsch darstellt, fällt das Band ab, gehen die Wünsche in Erfüllung, nimmt man es einfach so ab, bringt es scheinbar eine Menge Pech.
Diese Bänder jedenfalls hängen überall an der Kirche und wir haben natürlich auch welche dazu gehängt.





Wegen des Regens suchten wir mal wieder Unterschlupf in einem Shoppingcenter.



Am Abend setzten wir uns an den Strand, wo zwei Jungs auf uns zukamen und mit uns reden wollten, das war ganz nett und wir erzählten ihnen eine Menge Müll. Der eine wollte die ganze Zeit eine von uns küssen, aber wir lachten und wehrten ab. Irgendwann meinte er, ob wir Angst hätten, er hätte keine Waffe und zeigte uns, dass er tatsächlich keine hatte. Aber im nächsten Moment sahen Lissy und ich beide, dass der Junge, der sich etwas abseits hielt, etwas in seiner Hose vorne stecken hatte. Ob es eine Pistole oder eine Messer war, können wir nicht genau sagen, jedenfalls entschuldigten wir uns schnell und gingen zurück. Das Gefühl verfolgt zu werden beschlich uns und wir warteten bei einer Gruppe Polizisten, bis die Jungen verschwunden waren. Die Idee war auch nicht die beste. Mich ekelt es immer noch wenn ich daran denke wir einer dieser Männer auf mich zu kam und anfing mit mir zu reden, mit Komplimente machte und versucht hat mich anzumachen. So machten wir uns auch von unserem vermeintlich sicheren Posten davon. Mittlerweile glaube ich, dass es berechtigt ist, dass ich am meisten Angst hier in Brasilien vor den Polizisten habe. Sie denken sie können sich alles herausnehmen. Und den Anfängern wird auch gleich eine Knarre in die Hand gegeben. Ich habe nun wirklich kein Vertrauen in die Polizei Brasiliens.

Am nächsten Tag, der als letzter Tag vor unserer Weiterreise geplant war, hatte wir noch ein paar Sightseeing Punkte als Ziel gehabt und Lissy hatte einen Friseurtermin. Bei mir. Hat erstaunlich gut geklappt.



Das hat nur leider nicht funktioniert, denn wir wollten telefonisch den Bus nach Rio buchen, den man aber hätte gleich bezahlen müssen. Keine unserer drei Kreditkarten funktionierte und somit brach eine kleine Panik aus, ob unser Budget wohl noch reichen würde, ob wir einen Platz im Bus bekommen würden usw. Somit verschwendeten wir den ganzen Tag und am Ende hatten wir doch keine Gewissheit, ob wir am nächsten Tag einen Sitzplatz bekommen würden. Später mussten wir zur Bank laufen, um das Hostel zu bezahlen, da wir dann mit einem Haufen Geld hätten durch ein zwielichtiges Viertel laufen müssen und von der Bank auch schon komische Leute herum lungerten, rief Lissy ein Taxi, wie auch immer sie das ohne portugiesisch Kenntnisse geschafft hat. Am Abend hatten wir uns ein wenig beruhigt und machten uns auf in eine Bar um Fruchtcocktails zu schlürfen und zu schwatzen.



Tatsächlich ging alles gut, wir fuhren am nächsten Morgen mit dem Taxi zum Fernbusbahnhof und fanden einen Bus nach Rio, auch die Bezahlung machte keine Probleme und wir konnten uns unbesorgt auf die 30-stündige Reise begeben.
Die letzten Stunden dieser Reise waren der Horror, ein älterer Herr schaffte es nicht mehr auf die Bustoilette und pinkelte direkt neben uns in den Gang. Somit hatten wir für bestimmt 8 Stunden diesen Geruch in der Nase und wenn ihr glaubt, das hat jemand weggeputzt dann irrt ihr euch gewaltig, stattdessen wurde der Urin durch den ganzen Bus getragen.

Mein Fazit zu Salvador:
Wunderschön! Beeindruckende, immer fröhliche Menschen, auch kulturell gibt Bahia viel her, das Leben und die Stadt sind stark afrikanisch geprägt, so gibt es beispielsweise andere Gerichte, wie Acarajé ( niemand weiß genau was es ist, aber es schmeckt super lecker). Auch die Häuser der Altstadt sind wunderschön und man kann viel in der Stadt beobachten und die Energie, die von Menschen und Kultur, wie z.B. der Musik und dem Tanz ausgeht, aufsaugen.

Beijo Lise




Donnerstag, 14. April 2016
Olinda, Recife und der Hühnerhafen
Bei unserer Ankunft in Recife erreichte mich eine wirklich schlimme Nachricht.
Ich habe im November schon einmal von Derick erzählt, der einen schlimmen Autounfall hatte und ziemlich lange im Krankenhaus war. Kurz vor Weihnachten durfte er nach Hause und konnte die Feiertage mit seiner Familie verbringen. Nach dem Jahreswechsel wurde ihm eine Blasenentzündung diagnostiziert und er musste wieder ins Krankenhaus. Wir vermuten, er hat sich eine bakterielle Infektion im Krankenhaus zugezogen, jedenfalls erreichte mich am 10. Januar aus dem Nichts die Nachricht von seinem Tod.
Ich kann es bis heute noch nicht richtig fassen, es fühlt sich an als wäre er vereist und würde in der nächsten Woche zurück ins Projekt kehren, doch er kommt nicht... Es fehlt wirklich etwas, immer hatte er ein dickes Grinsen im Gesicht, erzählte von seiner Kirche, spielte Basketball oder tanzte. Und auch in der Phase seiner Krankheit strotzte er vor Kraft und Optimismus, er ist wirklich ein Junge gewesen, den ich bewundere. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Gott einen anderen Plan für Derick hat, sein Platz ist an Gottes Seite.
Es war wirklich schwer, mit der Nachricht zurecht zukommen, auf so etwas war ich nicht im geringsten Vorbereitet, doch Lissy sprach mit mir darüber oder lenkte mich ab, je nachdem, was ich gerade brauchte und dafür bin ich ihr sehr dankbar.
Sobald ich die Möglichkeit hatte, trat ich mit Vera in Kontakt, denn für sie musste die Nachricht noch heftiger gewesen sein, da sie mehr in Dericks Gruppe arbeitet und dazu noch allein unterwegs war. Wir konnten es beide nicht fassen.

Mit dem Gedanken „es kann nur besser werden als Fortaleza“ kamen wir in Olinda an und suchten uns ein Hostel. Für alle, die sich nicht so wahnsinnig in Brasilien auskennen: Olinda und Recife sind Nachbarstädte, im Bundesland Pernambuco, welches im Nord-Osten Brasiliens liegt. Da Olindas Altstadt so sehr gepriesen wird, entschieden wir uns, dort ein Hostel zu suchen, denn auch die Verbindung nach Recife ist super und die Großstadt lässt sich leicht erreichen. Das Hostel, für welches wir uns entschieden war bunt bemalt und sah sehr sympathisch aus. Der Besitzer und die Angestellten waren tatsächlich sehr hilfsbereit und so ließen wir endlich mal wieder unsere Wäsche waschen. Nach einem Nickerchen ging es zum Präkarneval, der ein paar Wochen vor Karneval gefeiert wir und als intensive Trainingsphase und Probe gesehen wir. Der Teil an dem wir teilnehmen konnten, fand vor einer katholischen Kirche in der Altstadt Olindas statt und der Priester hielt eine Rede, von der wir allerdings durch den Lärm von „Hallelujah“- und „Amen“- Rufen kaum etwas verstanden. Die Leute der Kirche und die meisten Zuschauer waren weiß gekleidet und drängten sich nach vorne um den Segen in Form von Reis, Blütenblättern und Wasser entgegen zu nehmen. Zum Schluss wurden noch weiße Tauben freigelassen, die den Frieden symbolisieren, eine von ihnen verirrte sich und kam nicht mehr in die Gänge.







Abends, als wir den Trubel und die Menschenmengen hinter uns ließen weihten wir unseren Campingkocher ein und kochten Tortelini mit Tomatensoße und zum Nachtisch Pudding.







Den zweiten Tag verbrachten wir nur in Recife, mit einem Stadtplan klapperten wir eine Menge Kirchen und Museen ab, die fast alle geschlossen hatten. Trotzdem gefiel uns die Stadt ganz gut und wir konnten uns ganz frei bewegen, was nach Fortaleza ein echtes Glück bereitete.
Die Abende verbrachten wir in Olinda, von wo man einen wunderschönen Blick auf Recife und das Meer hat.



Dieses kunterbunte Hostel barg ein für uns wunderbares Geheimnis: Das Frühstück war das Beste, das wir je in einem Hostel gegessen hatten, Kuchen, Sandwiches, Pudim, gegrillter Käse, Rührei, Maniok, es gab wirklich alles und auch Dinge, deren Name wir bis heute noch nicht kennen. Wir aßen jeden Morgen so viel, dass wir bis spät nachmittags keinen Hunger mehr spürten.

Am dritten Tag ging es an den besagten Hühnerhafen (Porto das Galinhas), woher genau dieser Name stammt konnten wir nicht so genau herausfinden, doch überall in dem Städtchen sind Hühner Figuren aufgestellt. Das Örtchen ist wirklich schnuckelig und der Strand wunderschön, trotz der Menge an Leuten konnten wir das Meer genießen. Nicht weit vom Ufer entfernt gibt es Korallenriffe, die aber durch die Flut nicht gut zu sehen waren.





Da der Weg bis zu diesem Ort, weit außerhalb der Großstadt, viel länger war als erwartet, konnten wir nur ein paar Stunden dort verbringen, was ziemlich schade war, da es uns sehr gefiel. Aber auf dem Weg konnten wir auch ein paar schöne Blicke in die Natur sammeln, die wir nicht missen möchten. Auf dem Weg zurück hatten wir wirklich Angst, ausgeraubt zu werden, weil es schon dunkel war und die Leute immer sagen, wie gefährlich es an Busbahnhöfen und in der Metro sei, aber zum Glück ging alles gut.

Den letzten Tag verbrachten wir nur in Olinda, wir machten uns auf den Weg, die Altstadt zu erkunden, wir klapperten alle Kirchen ab und kamen zu einem großen Markthalle, die im Prinzip das Gleiche anbot, wie in den anderen Großstädten auch, Schmuck, Holzarbeiten, Tourismusartikel und Lebensmittel.
Auf dem Weg zum Aussichtspunkt machten wir halt gegenüber von einem verschlossenem Museum. Wir setzten uns auf eine Art Tribüne und hinter uns saß ein Junge im Teenageralter, den wir aber gar nicht weiter beachteten. Lissy und ich redeten miteinander und aßen Pudim (brasilianischer Pudding), als plötzlich das Laub hinter uns raschelte, im ersten Moment dachten wir wohl beide, ein Tier würde aus dem Gebüsch gerannt kommen, aber dann packte der Junge unseren Rucksack, der neben Lissy lag und wollte weiter rennen, Lissy war glücklicherweise so geistesgegenwärtig und hielt den Rucksack fest, welchen ich dann auch im nächsten Moment anpackte. Wie sagt man? Wenn Blicke töten könnten... Genau so sah uns dieser Jugendliche an und lief dann trotzig davon. Ich frage mich bis heute, warum wir nicht davongerannt sind, jedenfalls blieben wir sitzen und fingen an, hysterisch zu lachen, war wohl der Schock. Ich bekam einen richtigen Schreck, als der Junge dann mit einer leeren Bierflasche wiederkam und uns finster anblickte. Dieses Mal rannten wir und wir hielten nicht an, bis wir einen Laden fanden, in dem wir uns sicher fühlten. Wir waren so aufgewühlt und voller Angst, dass der Junge uns verfolgen würde, dass wir uns noch Stunden später die ganze Zeit umdrehten um zu schauen, ob da wer ist.
Wir hatten glaube ich wirklich Glück, dass nichts passiert ist. Das Paradoxe ist, dass Olinda die Stadt war, in der wir uns auf der ganzen Reise am sichersten gefühlt hatten und genau dort werden wir fast ausgeraubt. Aber es nahm uns auch die Angst, denn wir wussten, es kann an jedem Ort passieren und genau dann wenn man es nicht erwartet.

Wir gingen weiter und in jeder Kirche in die wir traten suchte ich eine Kerze, die ich für Derick anzünden wollte, nur in einer Kirche fand ich Lämpchen, die angehen, wenn man Geld in den Schlitz wirft. Aber im Grunde zählt ja der Gedanke...

Auf dem Berg angekommen gingen wir auf die Aussichtsplattform, von der man aus den Rest von Olinda auf der anderen Seite des „Garten des Königs“ und Recife sehen kann. Wir waren die einzigen dort oben und der Ausblick war wirklich beeindruckend. In solchen Momenten fühlte ich mich einfach nur glücklich.









Und als wir irgendwann die ganze Altstadt abgelaufen sind, wussten wir nicht was tun, also setzten wir uns wieder in den Bus und - Oh Wunder - es trieb uns in ein Shopping, das ist nun mal die einzige Lokalität die bis 22 Uhr geöffnet ist. Als wir es nicht mehr aushielten, fuhren wir zurück ins Hostel, packten und machten uns auf dem Weg zum Flughafen, wo wir die Nacht verbringen wollten, um am nächsten Morgen früh nach Salvador zu fliegen.



Olinda ist für uns wirklich eine wunderschöne Stadt und auch Recife hat es uns angetan. Bis zu dem Zeitpunkt waren das wirklich die Städte, die uns am meisten beeindruckt haben, das liegt wohl auch daran, dass alles viel entspannter war, da wir mehr Zeit hatten, um uns die Städte und Sehenswürdigkeiten anzuschauen.

Beijo Lise



Erste Couchsurfing Erfahrung
Um halb sechs morgens als wir in Fortaleza ankamen war es leider noch zu früh um unseren Couchsurfgastgeber zu erreichen, also mussten wir bis fast zehn Uhr am Busbahnhof warten. Nachdem wir uns durchfragten kamen wir irgendwann völlig durchnässt an dem Haus in dem William lebt an. Irgendwie hatten wir nicht erwartet, dass wir in einem riesigen bewachten Hochhaus unterkommen würden, trotzdem fanden wir es ganz cool, vor allem auch noch einmal eine andere Erfahrung, als immer anonym in Hostels zu schlafen. Wir betraten das Haus und mussten gleich sagen, wer wir sind und wo wir hin wollen, der Pförtner öffnete uns dann die Türe und schickte uns in den 9. Stock. Oben angelangt öffnete uns William die Tür zu einer strahlend weißen und sauberen Wohnung. Er schien wirklich nett und zeigte uns alles.



Hier der Blick in den "Hof":



Mittags fuhr er mit uns zu einer dreistöckigen Markthalle, die im Reiseführer als Highlight der Stadt beschrieben wird.
Die Realität sieht ein bisschen anders aus, die Markthalle ist zwar tatsächlich dreistöckig, aber nun wirklich keine Besonderheit. Unten gibt es ein paar Stände mit typischen Waren der Bundeslandes Céara, in dem wir uns befanden, weiter oben gibt es Restaurants und Lebensmittel und der Rest ist vollgestopft mit Ständen, die alle die gleichen billigen Klamotten verkaufen. Auch unser Gastgeber war irgendwie seltsam, die ganze Zeit hing er uns an den Fersen, als ob er uns möglichst schnell wieder hinaus scheuchen wollte. Also verließen wir irgendwann das Gebäude, Lissy und ich gingen dann auf eigene Faust die Stadt erkunden und William fuhr wieder nach Hause um zu arbeiten. Wir irrten durch die Innenstadt und versuchten die Orientierung zu behalten, was gar nicht so einfach war. Auf unserer Erkundungstour erfüllten wir uns unseren Wunsch vom Campingkocher, den wir viel eher auf der Schiff gebraucht hätten, aber im Nachhinein doch eine ganz gute Anschaffung war.
Endlich konnte ich meine Jeans ersetzten die schon am Anfang der Reise einige Löcher aufwies und vor einem Geschäft, man soll es ja nicht glauben, spielten die beiden Columbianer, die wir auf dem Schiff kennenlernten, Panflöte. Eigentlich sollte es ja cool sein, dass wir sie wiedersahen, aber da sie auf dem Schiff so aufdringlich waren, machten wir uns lieber schnell vom Acker in die andere Richtung.



Irgendwie fanden wir dann abends zurück und William zeigte uns den Hauseigenen Pool in dem wir ein paar Bahnen zogen, um danach Tiefen entspannt zu einem Treffen von Couchsurfern in der Stadt zu gehen. Dass wir dort vor Müdigkeit fast am Tisch eingeschlafen sind, hat William und seinen Mitbewohner Jarly reichlich wenig interessiert. Die nächste Überraschung war dann, als uns die Jungs zum ersten Mal irgendwann nach Mitternacht sagten, Lissy und ich würden zusammen auf einer Matratze schlafen, die Alternative wäre gewesen, eine von uns schläft bei William im Bett, aber das ist eindeutig keine Option gewesen.



Am nächsten Morgen schliefen wir aus und William nahm uns mit zum Mittagessen in ein Gewichtsrestaurant und danach zum Einkaufen, wo wir Sachen kauften um ein schwäbisches Abendessen zu kochen. Als wir fertig waren lies er uns am Strand aussteigen und wir bummelten ein bisschen herum, genossen den Blick aufs Meer und den Sand unter den Füßen, mussten uns aber schon bald auf den Rückweg machen, um rechtzeitig das Abendessen zu kochen. Als wir in die Wohnung zurückkamen machte sich William gerade ein Sandwich und meinte, wir könnten ja am nächsten Tag kochen, bot uns aber auch nicht an etwas zu essen, da langsam aber der Hunger kam und wir auch nicht nur in der Wohnung sitzen wollten, machten wir uns wieder auf den Weg in die Stadt, wir setzten uns einfach in einen Bus und schauten uns die Umgebung an. Als wir an einem Shopping (Mall) vorbeikamen stiegen wir aus, denn wir wussten eh nicht wohin wir gehen sollten. Wir stiefelten ein wenig herum und machten dann halt bei den Fastfoodrestaurants, wo man sogar Handschuhe bekam um sich beim essen nicht schmutzig zu machen.



Wir kamen dann irgendwann zurück und machten uns in der leeren Wohnung fertig, um zu der angekündigten (Spießer-)party zu gehen, die im Veranstaltungsraum des Hauses stattfand. Da die Jungs uns nicht einmal verrieten, wo diese Party stattfand, gammelten wir solange auf unserer Matratze, bis zufällig jemand kam und uns mit hinunter nahm. Im Nachhinein können wir sagen, dass alle, aber wirklich alle anwesenden Couchsurfer cooler, lockerer und sympathischer waren, als der, der uns bei sich aufnahm. Sogar Lissy konnte sich viel unterhalten, weil die meisten Englisch sprachen. Das seltsamste Ereignis für mich war , dass William nach dieser Party zu mir kam und mich ganz fest drückte, einfach so, ohne Grund und das nach so einer Distanziertheit, ich bin jetzt noch ohne Worte. Wir nennen William auch nur noch den „Spießer“. Er hatte durch seine übermäßige Gastfreundlichkeit (Achtung, Ironie!) geschafft, dass wir sogar einen Tag früher abreisten als geplant, nämlich schon am nächsten Abend. Aber es hatte einfach keinen Sinn, der Gute hat uns nichts von seiner Stadt gezeigt, am letzten Tag machten wir mit ein paar Freunden aus, uns am Strand zu treffen, der Spießer war aber zu müde und hat uns damit einen Tag zum Gähnen beschert.



Das Mittagessen, das wir kochten, es gab Kässpätzle, Kartoffelsalat und Schnitzel, war echt lecker, wir fragen uns nur, warum wir uns solche Mühe gemacht haben.
Mittags verließen wir das Haus wieder auf eigene Faust Richtung Strand um ein paar Fotos zu schießen.







Zurück in der Wohnung packten wir schnell unseren Kram zusammen und schon ging es wieder los zum nächsten Ziel: Recife und Olinda in Pernambuco.

Jetzt können wir sagen, dass ein Leben in einem solchen Hochhaus, wie es in Fortaleza hunderte gibt, noch anonymer ist, als ein Hostel und ich würde mich nie für eine solche Wohnung entscheiden. Auch wenn Fitnessstudio, Pool und Partyraum im Gelände mit inbegriffen sind, was auf der einen Seite wohl sehr praktisch ist, brauche ich meinen Freiraum, ich will rausgehen, auf die Straße, Leute treffen und mich an der Umgebung erfreuen und nicht nur hinter einer Mauer mein anonymes Leben leben. Auch Fortaleza konnte unseren Erwartungen nicht entsprechen, wohl auch, weil unsere Couchsurfingerfahrung mit dem Spießer ein echter Flop war und wir kaum etwas von der Stadt zu sehen bekamen.

Beijo Lise